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Das aus zwei verschieden farbigen Sandsteinblöcken, vom Wiedenbrücker Bildhauer Christoph Siebe (1849-1912) gefertigte Denkmal des Kaisers Wilhelm I., wurde am 4. Juni 1893 als Kriegerdenkmal auf der Südseite des Marktplatzes in Wiedenbrück aufgestellt. Ein Fest des Krieger- und Landwehrvereins Wiedenbrück war der konkrete Anlass für die Aufstellung des Standbildes.

Es soll den ersten deutschen Kaiser Wilhelm I. (1797 -1888) ehren. Das Denkmal steht in der Tradition der Ehrenmäler, die Kaiser Wilhelm II. (1850-1941) zu Ehren seines Großvater Wilhelm I. errichten ließ, bzw. deren Errichtung er ausdrücklich befürwortete. Das Denkmal des Kaisers Wilhelm I. auf der Porta Westfalica ist das bekannteste dieser Art. Das Wiedenbrücker Standbild wurde vom Bildhauer Christoph Siebe (1849-1912) in Sandstein ausgeführt. Es entstand zwar schon 1893, steht aber in direktem Zusammenhang mit dem Standbild auf der Porta Westfalica von 1896. Die Zeichnung zu dem Wiedenbrücker Denkmal stammt vom berühmten Bildhauer und Kunstprofessor Caspar Ritter von Zumbusch (1840-1915). Zumbusch kam gebürtig aus Herzebrock und war der Schöpfer der Figur des Kaisers auf der Porta. Zumbusch war mit den Künstlern der Wiedenbrücker Schule, zu der auch Siebe zählt, freundschaftlich verbunden. (Mehr dazu im Wiedenbrücker Schule Museum)
Siebe zeigt, ähnlich wie Zumbusch, den stehenden Kaiser ohne Krone in vollem Staatsornat mit Hermelinmantel und Uniform. Der rechte Arm und die rechte Hand der Figur sind ausgestreckt. Die geöffnete Handfläche zeigt nach oben. Die Geste symbolisiert die gebende Hand des gütigen Landesvaters, der gnädig über Menschen und Landschaften seines geeinten Reiches herrscht. In der Behandlung der linken Hand unterschieden sich das berühmte Zumbuschdenkmal und der Wiedenbrücker Kaiser. Auf der Porta hält der Kaiser einen Säbelgriff in der Linken und ist somit in Ruhe, aber jederzeit wieder bereit das Schwert zu führen, in Wiedenbrück hat er keine Waffe bei sich und ist entspannter. Die Darstellung des Kaisers ist zeittypisch und wird heute kritisch gesehen.

Die Zeitgenossinnen konnten den Unterschied erkennen, aber trotzdem wurden beide Figuren als Friedensfürst verstanden. Die Einigung des Deutschen Reiches wurde durch die sogenannten „Einigungskriege“ von Kaiser Wilhelm I. erreicht und mehr Krieg ist nicht notwendig. Da die Einigungskriege auch Todesopfer forderten sind diese an den Seiten des Sockels durch ihre Namensnennung eingebracht. Es handelt sich um die Kriegstoten der deutschen Einigungskriege 1864, 1866 und 1870-71 die aus Wiedenbrück stammend als Soldaten in den Kriegen ums Leben kamen. Ihr Andenken soll hier ebenfalls wachgehalten werden.
Der Blick des Monarchen geht in die Ferne und sein Gesichtsausdruck ist mild und gütig. Der markante Backenbart als unverkennbares Zeichen dieses Kaisers soll seine Person und seine historische Größe unterstreichen. Die historische Würdigung sieht diese zeitgenössischen Deutungen kritisch und hat ein differenziertes Bild des ersten deutschen Kaisers der Neuzeit entstehen lassen.

Die Figur des Kaisers steht auf einem abgetreppten Sockel. Die Schauseite wurde mit blattvergoldeten Lettern und dem Namen Wilhelm I. gestaltet. In die Rückseite des Sockels wurden die Namen der gefallenen Soldaten der Einigungskriege aus Wiedenbrück eingraviert.
Das Standbild wurde bis 1939 an seinem ursprünglichen Aufstellungsort auf der Südseite des Marktes belassen.

Durch die nationalsozialistische Ideologie, die das Andenken an die Monarchie und den Kaiser verdrängen wollte, sollte das Denkmal vom Marktplatz verschwinden. Ein entsprechender Ratsbeschluss wurde am 27. März 1939 gefasst. Im Verlaufe des Jahres 1939 wurde das Denkmal vom Marktplatz weg, zu einem weniger repräsentativen Ort, dem Mühlenpförtchen verlagert. Bei der Verlagerung drehte man auch den Sockel, so dass die eigentliche Frontseite mit dem Namenszug Wilhelm I. nach hinten und die Namen der Toten nach vorne gedreht wurden.
Den damals gewählten Aufstellungsort und die Sockelausrichtung hat das Denkmal bis heute.
Allerdings ist aus dem wenig repräsentativen, kleinen Gässchen hinter dem Mühlenpförtchen, eine viel befahrene Zugangsstraße in die historische Altstadt Wiedenbrücks geworden. Die Straßenbaupolitik der 60er Jahre führte zu dieser Aufwertung des Denkmalstandorts an der heutigen Rektoratsstraße.