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Die überlebensgroße Bronzeskulpturengruppe von Dr. Wilfried Koch aus Rietberg, stellt dessen letzte große Mehrfigurengruppe dar. Sie wurde am 1. Juli 2018 im ehemaligen Eingangsbereich der Landesgartenschau von 1988 im Stadtteil Wiedenbrück an der Ems aufgestellt.
Die Platzierung in Rheda-Wiedenbrück wurde durch das Sponsoring einer Unternehmerfamilie aus Wiedenbrück und deren 75-jährigen Unternehmensjubiläum möglich.

Die monumentale, aus drei Figuren bestehende, Gruppe „Knoten im Garn“ trägt unverkennbar Kochs künstlerische Handschrift. Am Menschenbild orientiert, übersteigert der Bildhauer Physiognomien und Gliedmaßen seiner Figuren, um Not und Elend zu zeigen. Die dramatische und übersteigerte Geste und die übertriebenen Gestalten, weisen auf die Psyche und Not der Figuren hin. Die Figuren stellen eine Garnspinnerfamilie bestehend aus Vater, Mutter und Sohn dar.
Als historischen Hintergrund wählt Koch die Not und das Elend der, vom 17. bis 19. Jahrhundert vor allem in der Senne lebenden, armen Landbevölkerung, den sogenannten Köttern. Diese waren als Tagelöhner und zusätzlich als Handgarnspinner tätig. Sie waren arm und lebten in ständiger Not. Der Künstler will mit der großformatigen Figurengruppe das elementare Gefühl von Hunger, das diese Menschen erleben mussten, für den Betrachter von heute erfahrbar machen. Hunger, beschreibt einen Zustand, der in dem Erfahrungsschatz der heutigen Zeitgenossen nicht vorhanden ist. Wirkliche Hungererfahrungen bis zum Hungertod sind in diesem Bereich von Europa heute eher selten.

Für den hungernden Menschen stellt diese Situation aber eine furchtbare und quälende, die Sinne raubende existentielle Not dar.

Koch will anhand des historischen, in diesen Breiten erlebten Hungers ein Thema zeigen, das umfassende menschliche Not mit einem zeitgeschichtlichen Bezug verbindet. Er will das Elend der Handgarnspinner im beginnenden Industriezeitalter des 19.Jahrhunderts hier in der heimischen Region zeigen.
Die land- und mittellosen Menschen hatten nur ihre Arbeitskraft, die sie landbesitzenden Bauern oder Gutsbesitzern anbieten konnten. Um den kargen Lohn aufzubessern, wurde in den oft nur gemieteten Kotten und anderen Behausungen zusätzlich zur Tagesarbeit noch Garn gesponnen und verkauft. Die Fasern die zu Garn verarbeitet wurden, mussten die Garnspinner erst noch kaufen. In der beginnenden industriellen Zeit wurde diese Form der Garnherstellung aber durch das viel billiger zu produzierende Maschinengarn verdrängt. Die Handgarnspinner konnten ihre Produkte nicht mehr verkaufen. Sie produzierten gegenüber den Maschinen zu teuer. Dadurch brach ihre Einnahmequelle weg und sie konnten weder etwas verdienen, noch die Fasern für die Garnherstellung bezahlen. Sie hatten trotz fleißiger Arbeit kein Geld mehr, manchmal sogar noch Schulden bei den Faserverkäufern. Ihnen blieb nur Not und Hunger und keine Aussicht auf neue Verdienstmöglichkeiten.

Diese ausweglose Situation will Koch mit seiner Garnspinnerfamilie zeigen.

Der verelendete Vater, als überlebensgroße Standfigur dem Betrachter entgegentretend, bietet mit der ausgestreckten, übergroßen Hand, das unregelmäßige und zu allem Überfluss noch mit einem Knoten versehene, unbrauchbare Garn an. Kein Käufer will mehr die Handarbeit erwerben. Die Mutter hat ihm den Rücken zugewendet und sitzt gebeugt immer weiter arbeitend am Spinnrad. Auch sie kann durch ihren Fleiß den Hunger und das Elend nicht aufhalten. Dazwischen sitzt der Sohn am Boden und hat wenige Arbeitsmaterialien zur Garnerzeugung vor sich liegen. Seine Gestalt kann vor Hunger weder arbeiten noch spielen.
Koch will mit seiner Figurengruppe mehrere Themen zeigen. Einmal auf das historische Schicksal der Armen im 19. Jahrhundert in dieser Region hinweisen, darüber hinaus möchte er auf das Elend in der Welt, das Menschen heute erleiden müssen erinnern. Ein lehnenloser Hocker der abgerückt von den Figuren auf dem Weg steht gehört ebenso zu der Figurengruppe. Mit dem Hocker lädt der Künstler den Betrachter heute zum Platznehmen und Verweilen ein. Vielleicht kann der Betrachter heute Dankbarkeit empfinden, dieser historischen Zeit der Not und des Elends nicht angehört zu haben und Mitgefühl für Menschen in Not empfinden. Das ist ein Anliegen des Künstlers für dieses Kunstwerk. Eine umfangreiche Äußerung Dr. Wilfried Kochs zu seinem Werk ist in der umgebenden Grünanlage zu finden.

Das Koch sich an ein historisch wahres Ereignis hält, zeigt auch ein anderes Denkmal in der Stadt. Im Stadtteil Rheda hat der Sozialpolitiker und Armenarzt Dr. Otto Lüning (1818-1868), ein Zeitgenosse der industriellen Revolution und des Elends in der Region, ein Denkmal erhalten. Er hat in seinen Schriften über die Armut der Garnweber und des Elends in der Region geschrieben und versucht mit seinem beruflichen Tun und seinem politischen Engagement das Elend zu mindern. Siehe dort.